Was ist wirksame Zivilcourage?
Ein paar Erfahrungen aus dem StattGewalt-Rundgang
Oft wird beklagt, dass die Menschen gegenüber Gewalt und Rassismus im öffentlichen Raum gleichgültig geworden seien. Nach Ansicht des „StattGewalt“-Projektteams steckt hinter dieser verbreiteten Passivität ein Gefühl der Ohnmacht und Resignation: Schnell steigt der Gedanke auf, dass jemand anderer sicher besser wisse, wie man in einer solchen Situation wirksam eingreifen könne. „Betroffen“ sind wir schon, aber wir vertrauen unseren Strategien zum Eingreifen nicht.
Wenn man Zivilcourage fördern will, glaubt das Projektteam, muss man deshalb nicht nur beim Bewusstsein der Leute ansetzen, sondern auch bei den Fertigkeiten: Es sollen eigene Ideen und Strategien ausprobiert werden, um auf diese Weise Sicherheit in realen Situationen zu erlangen.
Was ist Zivilcourage?
Unter Zivilcourage wird das Auftreten gegen die herrschende Meinung verstanden, mit dem der Einzelne – ohne Rücksicht auf sich selbst – soziale Werte oder die Werte der Allgemeinheit vertritt, von denen er selbst überzeugt ist.
Nach Gerd Meyer* ist Zivilcourage „ein spezifischer Typus sozialen Handelns, das sich in spezifischen Situationen, in unterschiedlichen sozialen Kontexten, und Öffentlichkeiten vollzieht, indem eine Person (seltener eine Gruppe) freiwillig eintritt für die legitimen, primär nicht-materiellen Interessen und die personale Integrität vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst, und sich dabei an humanen und demokratischen Prinzipien orientiert.“ (* Gerd Meyer et. al: Zivilcourage lernen.)
In westlich orientierten Gesellschaften zeigt derjenige Zivilcourage, der die Wertorientierungen der jeweiligen Gesellschaften, wie z. B. die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, offen und ohne Rücksicht auf eigene Nachteile vertritt. Dies erfordert einerseits Mut, andererseits aber auch eine adäquate Einschätzung der Situation sowie der eigenen aktuellen Befindlichkeit.
(* Gerd Meyer et. al: Zivilcourage lernen.)
Wirksam eingreifen, ohne sich selber in unnütze Gefahr zu bringen…
Zivilcourage bedeutet nicht, den Helden oder die Heldin zu spielen, sondern erst einmal auf die innere Stimme zu hören, die einem sagt: „Was da passiert ist nicht in Ordnung – und ich könnte, ich sollte etwas tun.“ Es gibt kein Rezept dafür, was in solchen Situationen funktioniert und was nicht. Aber es gibt Strategien, die sich besser bewähren:
- Beobachten Sie zuerst, um abzuschätzen, wie „heiss“ die Situation bereits ist.
- Überlegen sie sich auch bereits einen zweiten Schritt – manchmal funktioniert ihre erste Intervention nicht wunschgemäss.
- Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und die Situation zu entspannen.
- Provozieren, berühren oder beleidigen Sie die Angreifenden nicht.
- Nehmen Sie Augenkontakt mit dem Opfer auf.
- Versuchen Sie eher, das Opfer aus der Gefahrenzone zu bringen, als den Täter oder die Täterin zu beruhigen.
- Machen Sie Zeuginnen und Zeugen auf ihre Situation aufmerksam.
- Holen Sie Hilfe.